Wer hat Angst vor Alligatoren?

Am Wochenende bin ich 25 Kilometer durch die Everglades, eine riesige Sumpffläche in Florida, geradelt. Weite Natur wohin das Auge blickte.

Auf dem Weg sind mir mindestens 30 Alligatoren begnet. Manche trieben wie Baumstämme im flachen Sumpfwasser, andere steckten ihre lange Nase aus dem Nassen, einige sonnten sich mitten auf dem Weg.

An jedem Alligator bin ich angehalten und habe mich anzufreunden versucht. Habe sie umschlichen und mich ganz nah heran gewagt. Meist bewegen sich nur die Augen. Durch den leichten Überbiss sind die spitzen Zähne gut zu sehen. Ich musste alle Vernunft zusammennehmen, um meine Hand nicht auszustrecken.

Alligatoren sind recht gefährliche Raubtiere. Ziemlich schnell sind sie ausserdem. Auch wenn wir Menschen prinzipiell nicht auf ihren Speiseplan stehen, können sie uns doch ziemlich übel zurichten. Gesicht zerfleischen. Wade wegbeissen. Solche Sachen.

Ich hatte jedoch nicht eine Sekunde Angst. Habe mein Gesicht entspannt in Beissweite gehalten. Stand eine Kaffeebohne weit entfernt vom moosgrünen Rumpf. Ich habe dem Alligator echt nicht wirklich zugetraut, dass er mir Schaden zufügen würde.

Und ich mutmasse, dass es vielen so gehen würde. Dass sie sich unbeschwert genauso nah ranwagen würden. Angstfrei. Ein kleiner Kitzel vielleicht, ein spannender Thrill.

Ich glaube, unser Angstzentrum ist kaputt.

Denn während wir echte Gefahren oft unterschätzen und mit Raubtieren schmusen wollen, fürchten wir uns vor Sachen, die uns nie im Leben auch nur den kleinsten Schaden zufügen könnten. So fürchte ich mich zum Beispiel jetzt schon seit ein paar Wochen davor, die zukünftigen Partnerunternehmen meines Startups anzurufen und Termine zu vereinbaren. Ich stecke mein Gesicht da überhaupt nicht entspannt hinein und nix da Kaffeebohnenentfernung — am liebsten Siebenmeilenstiefelschritte in die andere Richtung.

Meine Angst fühlt sich relativ real an, auch wenn ich weiss wie albern sie ist. Rookie Mistake. Akquiseangst. Pfft.

Wir (ja, ich ziehe dich hier mit rein auch wenn ich meine eigene Situation reflektiere) sind offensichtlich viel leichter bereit, potenziellen körperlichen Schaden in Kauf zu nehmen, als uns ein paar Minuten lang ein bisschen blöd vorzukommen. Uns Unverständnis oder gar Ablehnung auszusetzen.

Ablehnung ist echt a Bitch!

Dabei gehört sie zu jedem Business dazu, zum Leben sowieso. Irgendwer muss immer überzeugt und betört werden. Und man merkt ja schon nach der ersten, dass Ablehnungen zwar irgendwo zwischen unangenehm und furchtbar bis totally peinlich sind, man aber doch körperlich unversehrt bleibt. Was tun wir mit dem Wissen? Wir lassen uns von sonem bisschen Wissen doch nicht unsere Ängste kleinreden!

Trotzdem. Morgen fange ich auf jeden Fall an, Termine zu vereinbaren. Denn sonst ist es mir ja vor euch, liebste Leserinnen peinlich. Und das ist ja noch viel schlimmer als ein bisschen Unverständnis und Ablehnung, oder?

Wie geht euch das. Kennt ihr diese Ängste, die man überwunden glaubte und die einen dann doch wieder wie ein Alligatormaul im Griff halten? Erzählt mir davon, OK?

Businesspussy im Print oder: Ich brauche sicher mal einen Medientrainer

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An einem sonnigen Tag im September sass ich am Fenster meines Lieblingsrestaurants. Vor mir ein Aufnahmegerät. Gegenüber eine aus Deutschland stammende und in New York wohnhafte Journalistin. Sie wollte mich für einen Artikel für die Zeitschrift BusinessLadys interviewen: „Ich bin gut in Teams — die ich leite.“

Die Fragen sprachen mich an und ich redete, wie mir das eigen ist, so wie der Schnabel gewachsen ist, mit viel Gelächter und ohne Rücksicht auf Verluste.

Wir redeten in zwei Stunden über mich als Serien-Entrepreneurin, Klischees über Frauen in Tech-Startups, dass Perfektionismus in meinen Augen bloss Nicht-zu-Potte-kommen ist, meine Rede für den damals amtierenden Bundestagspräsidenten, mein Mitleid mit Männern.

Ich bin nicht komplett unerfahren mit Interviews aber das war mein erstes, wörtlich wiedergegebenes grosses Interview auf zwei Doppelseiten mit grossem Foto.

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Ich würde mich freuen, wenn ihr das Interview lest und mir hier in den Kommentaren ein Feedback gebt. Gern auch privat über das Formular auf der About-Seite.

Hier ein paar Teaser-Zitate.

Zum Thema Persönlichkeitsfrage:

„Es ist wichtig, zu erkennen, wer man ist und was man braucht, und zwar ohne Wertung. Selbstbewusstsein ist für mich nicht, sich total toll zu finden, sondern sich zu kennen, sich bewusst zu sein, was einen kickt, was einen hemmt, was einen treibt, was einen wahnsinnig macht, und dann etwas finden, das darauf passt.“

Zum Thema Was fehlt Frauen:

„Große Klappe und dickes Fell schaden nicht, aber dieses Gefühl, dass wir es jemandem rechtmachen, dass wir gefallen wollen, und dass wir nicht zu angsteinflößend wirken wollen, das steht uns am allermeisten im Weg.“

Zum Thema Perfektionismus:

„Man muss bewusst mal etwas Unfertiges in die Welt freilassen, um ein Feedback zu bekommen. Dazu gehört ein Stück Selbstbewusstsein, man muss den Mut haben, zu sagen: Ich habe alles gegeben, das ist jetzt fertig. Auch auf das Risiko hin, dass andere es total scheiße finden.“

Pferde sind schlechte Vorbilder

Heute früh beim Frühstück in meinem Lieblingscafé hat mir ein Freund etwas erzählt:

Wenn ein Pferdestall brennt und alle versuchen, die Pferde in Sicherheit zu bringen, spielen die Stuten und Rösser oft einfach nicht mit. Sie rennen bei der erstbesten Gelegenheit angsterfüllt in die Flammen zurück.

Warum machen die sowas?

Die Antwort ist nahezu banal:

Der Stall ist der Ort, den die Pferde gewohnt sind. An dem sie sich sicher und geborgen fühlen. Gefüttert und gestriegelt werden. Ob der Stall brennt oder nicht, macht für die Pferde, die Feuer noch nicht als lebensbedrohliche Gefahr kennengelernt haben, keinen Unterschied. Umso gestresster sie sind — zum Beispiel weil Feuerwehrmänner und andere helfende Hände auf sie einschreien — desto unbedingter wollen sie zurück in ihren Stall. Egal wie lichterloh er brennt.

Ich war von der Geschichte heute früh geradezu erschüttert.

Denn ich denke, dass dieser Impuls — in abgeschwächter Form — auch in uns existiert. Ein bisschen habe ich mich mit dem Thema in dem Artikel Vorsicht Komfortzone! beschäftigt. Doch die brennenden Pferde sind natürlich das weitaus dramatischere Bild.

Was assoziierst du damit? Kennst du Situationen, in denen du sprichwörtlich in den brennenden Stall zurück gerannt bist und dort Sicherheit erwartet hast?

Tech Shabbatt: Ausgeknipst

Erinnert ihr euch, als ich vor sieben Monaten das erste Mal ganz zaghaft Twitter und Instagram für 24 Stunden ausgeknipst habe, weil ich einen Technologie-Sabbatt in meinen Alltag integrieren wollte?

Mittlerweile hat die Angelegenheit den knackigen Namen Tech Shabbat bekommen und jeden Freitag bei Sonnenuntergang heisst es für mich ganz selbstverständlich „Screens off!“ Das iPhone, der Computer, der iPad, alles wird für dunkel. Keine Facebook-Updates, keine Instagramfotos, keine Emoji-Konversationen per Whatsapp oder Google Hangout.

Ein echter Einschnitt.

Oft unpraktisch.

Manchmal nervig.

Doch ich möchte es auf gar keinen Fall mehr missen. Meine wöchentlichen 24 Stunden der sozialmedialen Abkopplung.

Bei den ersten Malen brach bei mir mit dem Ausknipsen meiner Screens immer der Schweiss oder doch zumindest ein gewisser Aktionismus aus. Haare mussten geflochten, Makeuppinsel mussten ausgewaschen werden. Oft hatte ich spätestens am Samstagmorgen das Gefühl, ich müsste unverzüglich alles anknipsen oder sofort sterben. (Hat da einer Entzugserscheinung gesagt? So frech!)

Doch ich habe dieses Ritual schnell lieben gelernt. Ich gewann jedes Mal soviel Klarheit. War richtig erfrischt. Hatte ich mir in der Woche zuvor zum Beispiel die Zähne an einem Businessproblem ausgebissen, konnte ich darauf wetten, dass mir die Lösung während meinem Tech Shabbatt fast im Vorbeigehen begegnen wird. Es war fast ein bisschen spooky.

Und dabei so logisch.

Wir sind kaum noch in Situationen, in denen wir auf uns selbst zurück geworfen sind. Situationen, in denen wir unerwartete Gedanken zulassen. Wann sitzen „Heavy Screen Users“ wie ich (und wie du) einfach mal da und starren ein Loch in die Luft? Lassen Gedanken einfach mal die Zeit, sich ohne Ablenkung selbst zu entwickeln? Wann lassen wir ein bisschen Langeweile zu ohne sie gleich zu ertränken mit einem routinierten Ablauf an Facebook-Update, Tweet, Instagram-Foto und Pulldown-Release-Daumenbewegungen zum Timeline-Refresh, -Refresh, -Refresh.

Ich schaffe mir einmal pro Woche bewusst diese Situationen. Für neue Gedanken. Und auch wenn es ich mich daran gewöhnen musste — wie zum Beispiel an die Konsistenz von Austern — liebe ich sie mittlerweile sehr.

Eine nicht-repräsentative Beobachtung in meinem Freudes- und Bekanntenkreis hat übrigens ergeben: Umso stärker die Angstzustände bei der Vorstellung, alle Geräte auszusschalten, desto mehr könnte sich ein Versuch lohnen.

Meine Angst war grenzenlos.

Eins verspreche ich: Es lohnt sich schon allein für die Freude, am Ende alles wieder anzuknipsen.

Jetzt bin ich gespannt: Hast du solche Auszeiten schon einmal ausprobiert? Praktizierst du gar regelmässige Tech Shabbats? Oder ist das für dich alles Humbug? — Ich bin auf alle Sichtweisen gespannt.

Businesspussy bei Wesentlich & Wirksam

Schon im Sommer hat mir Espressofreundin und Menschen-zu-Marken-Macherin Maren Martschenko zehn Fragen für ihren Blog Wesentlich & Wirksam gestellt. Zu Business und Begeisterung, Diesem und Jenem.

Kleiner Auszug:

Aus welchem Fehler haben Sie am meisten gelernt?

Meine Fehler sind wie meine Kinder. Ich kann doch da nicht einfach einen als den Lehrreichsten deklarieren! Aber im Ernst: Ich mache ständig neue Sachen, ich mache also ständig Fehler.

Die Fragen haben mir wirklich Spaß gemacht und ich hoffe, dich inspirieren die Antworten. Hier geht’s zum Artikel.

Mit ruhiger Atmung zum Ziel

Laufen, also Joggen, ist total bescheuert. Während um mich herum nahezu jeder mit einem Marathon oder Halbmarathon zumindest geliebäugelt hat, habe ich nur den Kopf geschüttelt.

Das ewige irgendwo entlang Traben entspricht nicht meinem Naturell. Beim Laufen geht es darum, mit den eigenen Kräften bedacht hauszuhalten. Ich bin dagegen eine Freundin des sich begeistert Verausgaben und noch eine viel größere Freundin der Instant Gratification.

Zeige mir deinen Sport und ich sage dir, wer du bist.

Ich bin als Jugendliche jedes Wochenende zu regionalen Leichtathletikwettbewerben gefahren. Dort sprang ich über Latten diverser, im internationalen Vergleich eher indignifikanter Höhen und wusste jeweils nach sechs Schritten und nem Fosbury Flop, ob ich das Ding im Kasten hatte.

In letzter Zeit deucht mir jedoch: Ein Startup aufzubauen, hat viel mehr mit dem ewigen irgendwo entlang Traben als mit sechs Schritten und nem Fosbury Flop zu tun.

Das Ziel ist plötzlich in viel weiterer Ferne gerückt und nicht einmal immer ganz eindeutig. Mal ist das Ziel die Investition, dann die Weltherrschaft, man kennt das. Und wenn man sich zu sehr darauf versteift, vergisst man, die dahin führenden Schritte richtig zu gehen. Man muss lernen, das Ziel ein bisschen zu vergessen und den Weg losgelöst davon zu genießen und zu vervollkommnen. Behendere Schrittführung, ruhigere Atmung, bessere Haltung.

Diese Sichtweise ist sehr neu für mich. Das Ziel, das Ergebnis hintenan stellen? Ja, geht’s noch? Ergebnisorientiert ist mein zweiter Vorname.

Gleichzeitig ist mir so klar, dass diese Sichtweise die ultimativ zielführendere ist.

Und so habe ich vor über zwei Monaten angefangen zu laufen. Um den Park am Ende der Straße. Fast jeden Morgen. Unter Bäumen und am Basketballplatz entlang. Am Hundepark vorbei. Und am Spielplatz. Die Strecken sind noch sehr kurz und ich laufe erstaunlich langsam.

Ich setze einen zunehmend behenderen, leichtfüßigeren Schritt nach dem anderen.

Und ich genieße es.

Elevatorpitch oder: No pain, no gain

In letzter Zeit verlangen alle meine Geschäftsideen nach Startup-Kapital. Und zwar in einer Höhe, die ich gerade nicht zwischen den Couchkissen finde.

Investoren müssen her.

Bevor sich der durchschnittliche, mit Anfragen bombardierte Investor eine Stunde Zeit für dein angehendes Gazillion-Dollar-Startup nimmt, muss man ihn in knappster Form hinterm Ofen hervor locken. Mit dem Elevatorpitch.

Der wollte mir jedoch nicht gelingen. Für mich war alles gleich wichtig und es fiel mir — die sonst die Essenz globaler Unternehmen auf einen Halbsatz runterbrechen konnte — unfassbar schwer, mich auf den Kern der Geschäftsidee zu konzentrieren. Wie schwer es mir fiel, wurde klar als ich mich auf eine Veranstaltung vorbereitet habe, die am besten mit Investor-Speed-Dating beschrieben ist: Jeweils fünf Minuten mit drei Investoren deiner Wahl.

Der Timer einer Freundin, die mir bei der Vorbereitung geholfen hat, ging regelmäßig los, als ich kaum mit der Begrüßung fertig war. Ich fühlte mich, als würde ich mitten in der Dankesrede von der Oscarbühne orchestriert. Und es wurde im Verlauf der Stunde, die ich für die Vorbereitung eingeplant hatte, nur marginal besser.

Es war alles zum Scheitern verurteilt. Man würde mit Fingern auf mich zeigen und lachen. Nun gut.

Da Kneifen nicht gilt (ich hatte es natürlich in Erwägung gezogen) saß ich dem ersten Investor gegenüber und wollte aus Verzweiflung einen Scherz machen. Eine Steilvorlage in den Abgrund und ich fand mich direkt in der Defensive. Der Investor war wie eine Tennisballmaschine, die die gelben Bälle im Sekundentakt auf mich abfeuerte. Ich konnte zwar alles parieren, hatte den Durchgang jedoch glorreich vergeigt.

Es war das Beste, was mir passieren konnte.

Schon während des Gesprächs (a.k.a. komplettes Desaster) wurde mir auf einmal kristallklar, was der elevatorpitchtaugliche Kern meines Geschäftsmodells ist. Das stressgeschürte Adrenalin hat alles Unwichtige ausgeblendet und die Sicht aufs Wesentliche freigemacht. Als ob etwas einrastet. Die nächsten Investor-Speed-Dates liefen souverän und begeistert. Wie Tag und Nacht.

Und der Zuckerguss aufm Keks war, dass ich nach der Veranstaltung einen Investor buchstäblich elevatorgepitcht habe. Im Fahrstuhl von der 36. Etage des 30Rock-Gebäudes in Midtown Manhattan.

Jetzt habe ich keine Angst mehr. I’ll pitch you anytime, anywhere.

Ich glaube, die wichtigsten Lektionen sind immer mit ein wenig Schmerz verbunden. No pain, no gain. Was sind deine mehr oder weniger glorreichen Lektionen, die aus unangenehmen Situationen erwachsen sind? Es interessiert mich sehr.